Obermain Tagblatt
Samstag/Sonntag, 3./4. November 2001

Comicopa und Pfarrerschreck

Warum Heinz Körner nach 25 Jahren „Yps“ die Zeichenfeder nicht aus der Hand legt
Von Verena Lutter

Reundorf - Das Zeichenpult und der Bürostuhl in Heinz Körners Atelier sind so alt wie seine Comichelden. 1975 kritzelt der Reundorfer auf ein Blatt Papier vier Kinder mit runden Gesichtern und dürren Beinen. Hauptfiguren der „Yps“-Comicserie „Yinni und Yan“. Heinz Körner lässt die vier Fernsehreporter Yinni, Yan, Yorick und Yack durch die Bambuswälder Chinas streifen, begleitet sie bei der Suche nach dem geheimnisvollen Yeti, und schickt sie in Folge 626, „Der heilige Berg“, auf den Staffelberg.

Vor einem Jahr nimmt der weißhaarige Mann mit den ruhigen grau-grünen Augen Abschied von seinen Comickindern. Fans des Jugendmagazins „Yps“ halten die letzte Ausgabe des Kult-Hefts in den Händen. In Spitzenzeiten pilgerten eine halbe Million Jugendliche Woche für Woche zum Zeitschriftenstand, freuten sich über irrwitzige Gimmicks wie Pups-Kissen, Geld-Zauber-Maschine und Solar-Zeppelin.


Diese Hände brauchen immer etwas zu tun: Der 61-Jährige lässt noch immer die Tuschefeder tanzen.     (Grosses Bild)
Bei einer Auflage von 85000 Stück stellt der Ehapa-Verlag das Heft „Yps mit Gimmick“ im Oktober 2000 ein. Heinz Körners Comicfigur Yan schaltet für immer die Fernsehkamera aus. „Der Erfolg von Yps lag am Gimmick, einem kuriosen Spielzeug. Und das gibt es heute in rauen Mengen, zum Beispiel in Überraschungseiern“, erklärt sich der 61-Jährige das Ende der Jugendzeitschrift mit dem grün-karierten Känguru auf dem Cover.

Der Reundorfer hat die Zeichenfeder seitdem nicht aus der Hand gelegt. Neben dem Schreibpult liegen zusammengeknüllte Papiertücher mit schwarzen Tuscheflecken, stumpfe Bleistifte, DIN-A4-Blätter. „Ein Auftrag von meinem Schwiegersohn“, sagt der hagere Mann in verschwörerischem Tonfall, und streicht mit den Fingerkuppen über die Bleistiftskizze. Als könnte er die Linien fühlen. Sein Gesicht ist rosig wie nach einem Winterspaziergang. Ein Geflecht aus roten Äderchen überzieht die Wangen.

1200 Episoden

Heinz Körner nimmt sich selbst nicht so wichtig. Ohne Pathos erzählt er von seiner Arbeit für „Yps“. Der bescheidene Comiczeichner hat 1200 Episoden von „Yinni und Yan“ illustriert. Die Hefte liegen in Kisten auf dem Dachboden seines Hauses in Reundorf. Wer die Magazine aufschlägt, liest zu Beginn jeder „Yinni und Yan“-Folge den Namen Körner am Seitenrand. Das Texten musste Heinz Körner anderen überlassen. „Manchmal habe ich mir gewünscht, dass die Texte zeitgemäß knapper und knackiger würden“, gesteht er.

In den Anfangszeiten des „Yps“-Magazins entwirft der Zeichner zehn Comicseiten pro Woche, später sieben. Die Dialoge kommen per Post. Heinz Körner setzt die Story in Bilder um, erfindet zu den Sprechblasen die passenden Charaktere.

„Ich glaube, es tut nicht gut, so lange dasselbe zu machen“, meint der 61-Jährige heute. 25 Jahre lang sitzt er jeden Tag am Zeichenpult. Mehr als 50 Stunden pro Woche. Das Genick schmerzt, ihm fällt es schwer, den Kopf in der richtigen Position zu halten. Wenn Heinz Körner von seinen Skizzen aufblickt, und aus dem Fenster schaut, sieht er die Häuser seiner Nachbarn mit den gepflegten Vorgärten. Er wollte nie weg aus Reundorf. Nicht wie manche seiner deutschen Kollegen im südlichen Ausland leben und dort für sich arbeiten lassen. „Ich bleibe hier“, sagt er, und lächelt zufrieden.

Die Comicfiguren Yinni, Yan, Yorick und Yack recherchieren als „Yps“-Fernsehteam auf der ganzen Welt, kämpfen gegen das Böse und die Ungerechtigkeit. In ihrem kurzen Leben durchlaufen die vier Figuren eine äußerliche Metamorphose. Hände und Füße schrumpfen, die Beine werden kürzer. In den letzten Folgen wirken die Körper gedrungen, fast steif. „Das waren Anweisungen der Redaktion, die, glaube ich, nie richtig überdacht wurden“, erklärt Heinz Körner. Glücklich ist er darüber nicht. Die kürzeren Gliedmaßen seiner Comichelden schränken den Zeichner ein. Yinni und Yan werden unbeweglicher.


1975 liegt die erste Ausgabe des Comic-Magazins "Yps" in den Zeitschriftenläden. Von Anfang an mischt Heinz Körner aus Reundorf mit     (Grosses Bild)
Eine Figur hat der Zeichner besonders lieb gewonnen: den tollpatschigen und verfressenen Yorick. „Der hatte immer die unglaublichsten Ideen.“ In Folge 626 aus dem Jahr 1987 forscht das TV-Team auf dem Staffelberg. Yorick hat erfahren, dass in dem Berg ein gewaltiger Fisch eingeschlossen sein soll, der seinen Schwanz im Maul hält. Niemand weiß, wann er ihn loslässt. „Dann zerreißt es den Berg in tausend Stücke, und uns ersäuft das alte Jurameer“, berichtet Yorick mit klappernden Zähnen.

Wenig später steht der dicke Kerl im Taucheranzug vor Yinni und Yan, weil er fürchtet, in den Fluten zu ertrinken. Solche skurrilen Begebenheiten fordern Heinz Körners Kreativität heraus. „Für mich sind Comics Bildgeschichten in Sequenzen. Und wenn die Geschichte gut ist, lässt sie sich gut in Sequenzen teilen.“

Der Comicopa hat sich das Zeichnen selbst beigebracht. Die Tapeten bekritzelt der junge Heinz Körner zum Schrecken seiner Eltern mit Flugzeugen, Schulaufsätze versieht er mit einem Comicpart. 1949 blättert der Junge zum ersten Mal in einem amerikanischen „Superman“-Comic – und kann das Heft nicht mehr beiseite legen. „Ich fand es gut, dass Superman fliegen konnte.“ Von da an studiert der Neunjährige jeden Comic, der ihm zwischen die Finger kommt. Er vergleicht die Zeichenstile von „Tarzan“, „Akim“, „Sigurd“, „Tom Mix“ und „Prinz Eisenherz“, drückt seine Nase an den Schaufenstern der Schreibwarenläden platt.

Kirche warnt vor Comics

Als an den Lichtenfelser Zeitungskiosken die ersten „Micky Maus“-Hefte ausliegen, ist Heinz Körner elf Jahre alt. In den Schaukästen der Kirchen hängen Warnhinweise in gestelztem Deutsch: „Bildschriften beinhalten Frauenliebe, Gewalt, unglaubwürdige Dimensionen und Tatbestände.“ Bei einem Eheseminar wird der junge Comiczeichner von einem Geistlichen nach dem Beruf gefragt. „Nach meiner arglosen Antwort sträubten sich dem Pfarrer die Haare. Er erkundigte sich entsetzt, ob ich denn um Himmels Willen mein Talent nicht für etwas anderes verwenden könnte.“

Während der Ausbildung zum Werbekaufmann blättert Heinz Körner in Karl-May-Büchern. Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi sieht er in Gedanken als Comicfiguren. Er zeichnet Entwürfe, schickt sie an Verleger. Kurze Zeit später hält er einen Brief des „Fix und Foxi“-Erfinders Rolf Kauka in den Händen: Der 22-Jährige soll Comics mit den Rotfüchsen zeichnen.

„Fix und Foxi“ schaffen es zwar nie auf den Staffelberg, aber Heinz Körners Traum wird Wirklichkeit. „Zwei Jahre lang habe ich die Abenteuer der beiden Füchse mit blauem Farbstift und Tuschepinsel Bleistift umgesetzt“, sagt er, und zeigt auf ein vergilbtes „Fix und Foxi“-Heft. Später lässt der Zeichner für die Comic-Titel „Hörni“, „Felix“ und „Max und Molly“ die Tuschefeder tanzen, erfindet die Häschen-Figuren „Mucki und Matzi“, zeichnet Sprechblasen-Episoden von „Käpt'n Snuffy“ und „Die drei Musketiere“

Unvergessene Urzeitkrebse

1975 erscheint im Verlag Gruner+Jahr die erste Ausgabe des Comic-Magazins „Yps“. Die Kinderfiguren Yinni, Yan, Yorick und Yack hat Heinz Körner ausgetüftelt. Als erstes Gimmick liegt ein Schleuder-Katapult bei. Mit roten Backen schießen die Comic-Fans Plastikkügelchen durchs Wohnzimmer, treiben ihre Eltern in den Wahnsinn. Nach einem Jahr geht das Comicheft pro Woche 350000 Mal über den Ladentisch.

Heute hätte „Yps“ keine Chance auf dem Zeitschriftenmarkt, glaubt Heinz Körner. „An dem Heft hat sich im Laufe der Jahre nie was geändert. Und die Beiträge der Klassiker ,Lucky Luke' und ,Asterix' waren nicht mehr beachtenswert.“ Die „Yps“-Leser sind inzwischen erwachsen. Und erinnern sich mit Wehmut an Urzeitkrebse und Fliegenschreck-Pistole.

Heinz Körner legt die alten „Yps“-Ausgaben zurück in die Kiste. Manchmal wollen seine beiden Enkelkinder wissen, was ihr Opa früher getrieben hat. Dann flackert in den grau-grauen Augen hinter den runden Brillengläsern ein Licht auf, und Heinz Körner grinst schelmisch. Er steigt die Stufen zum Dachboden hoch, kramt einen Stapel Comichefte hervor. Und nach der Lektüre eines „Yinni und Yan“-Abenteuers fällt den Kindern wieder ein, warum ihr Großvater immer noch gerne am Zeichenpult sitzt. „Ich hab's noch immer gern, ein Ding recht hübsch zu vertrudeln.“


In Folge 626 aus dem Jahr 1987 erforschen Heinz Körners Comickinder Yinni, Yan und Yorick den Staffelberg. Und erleben, dass es dort nicht nur fränkische Brotzeiten gibt.Zeichnung: Heinz Körner     (Grosses Bild)


© Verena Lutter / Obermain Tagblatt November 2001
Fotos: Verena Lutter
All rights reserved.




Zurück