Frankfurter Allgemeine Zeitung
13.Juli 2000

Das Gimmick

Nachruf auf das Rätsel von "Yps"

Da waren die "wertvollen Edelsteine", die man selber aussieben konnte, die Um-die-Ecke-Guck-Maschine, die Pistole mit dem Plopp, "mit der du deine Freunde ganz schön erschrecken kannst", das backpulverbetriebene Schnellboot, der "echte Detektivausweis", die Urzeitkrebse und das Kaleidoskop zum Selberbasteln, bei dem einem die bunten Plastikkiesel ins Auge rieselten. All das und noch vieles mehr zählte zu den so genannten "Gimmicks", die es alle zwei Wochen im "Yps"-Heft gab. Jedes Heft brauchte einen Gimmick. Nun gut, das Zeugs brauchte man im Grunde nie und nimmer und es ging nach dem zweiten Benutzen kaputt. Aber alle in der Klasse waren süchtig danach und die "Gimmicks" wechselten beim Tauschen auf dem Schulhof oft genug ihren Besitzer.
Jetzt erreichte uns aus Leinfelden-Echterdingen eine traurige Nachricht: Der Egmont Ehapa-Verlag stellt "Yps" ein. Nie wieder wird es "Gimmicks" regnen. Die Auflage sei zu niedrig, heißt es, das Heft rentiere sich nicht mehr. Die Harry-Potter-Generation hat für "Yps" und seine Gimmicks nichts übrig. Die Pokémons haben das karierte Känguru verdrängt. "Yps" erleidet das Schicksal aller Vorreiter. Inzwischen hat die "Ypsierung" ein ganzes Marktsegment erfasst. Frauen-Magazine und Zeitgeist-Zeitschriften greifen, sobald ihre Auflage sinkt, zum Gimmick. Vakuumverpackt gibt es dann winzige Parfümfläschchen oder den 138. New-York-Reiseführer zm Heft, kostenlos.
Mit "Yps" aber ist nach 25 Jahren vorläufig Schluss. Das Heft wird nur mehr durch das kollektive Gedächtnis der Dreißig- bis Vierzigjährigen geistern, gemeinsam mit dem "Feuerroten Spielmobil" und dem "Kli-Kla-Klawitterbus". Man sah das Ende kommen: das Heft wurde immer dünner, das Papier bekam die Qualität russischer Samisdat-Drucke, die Comics waren lieblos gezeichnet. Und die Gimmicks kamen uns auch recht bekannt vor. Vielleicht ist es wahr: In einer Zeit, in der Zwölfjährige durchs Internet surfen, nimmt der Reiz einer Maschine ab, die Eier eckig macht, und der geheimnisvollen Ursteine, die, wenn man sie gießt, ergrünen. Aber wie haben wird unsere Oma übers Ohr gehauen mit der "Geldzaubermaschine"! Man lieh sich von ihr einen Zwanzigmarkschein, drehte ihn in das wackelige Plastikding - und es erschien ein Zehnmarkschein. Vermutlich gab es keine Oma im Lande, die den Trick nicht durchschaute. Aber die zehn Mark Profit durften wir behalten. Davon ließen sich immerhin vier "Yps"-Hefte kaufen.
Am 10. Oktober, so der Ehapa-Verlag, wird das letzte "Yps"-Heft erscheinen. Das letzte? Vielleicht nicht. Etwas "Yps"-Ähnliches soll es vielleicht im nächsten, übernächsten Jahr geben. Was das sein wird, weiß Verlagssprecherin Godau auch nicht so recht. Der aktuelle "Yps"-Gimmick Nummer 1246 ist übrigens ein toller Pocket-Reisedrachen. Holt ihn euch, bevor es zu spät ist!

© Markus Reiter/F.A.Z. 13.07.2000
All rights reserved.

Zurück